Der Fluss
Der Schleier aus rotem Staub legte sich, nachdem der Mob weggeritten war. Ich zitterte. Ich konnte sehen, wie der schlaffe Körper eines Mannes immer noch von den knorrigen, hässlichen Zweigen des alten Galgenbaumes hin und her pendelte. Ich hasse diesen Teil meines Lebens, aber ich hatte keine Wahl. Ich versuchte wegzuschauen, war aber leider nicht in der Lage dazu. Die Regenfälle füllten mich bis zur doppelten Größe, sodass es diesmal kein Versteck gab. Ich fließe und sprudle so schnell ich kann, in der Hoffnung, mich aus dem Blickfeld entfernen zu können, aber je schneller ich fließe, desto schneller komme ich an der gleichen Stelle vorbei.
Siehst du, ich bin ein Fluss. Solange ich Wasser habe, werde ich nie aufhören zu fließen. Ich wurde vor ewiger Zeit auf einem Berggipfel zwischen den Spalten zweier alter Zwillingsfelsen geboren und folge immer noch dem gleichen Weg hinunter zum offenen Meer. Ich beginne als ein Rinnsal, aber meine Seele durchläuft viele Veränderungen. Ich bin manchmal tief, und manchmal breit. Ich bin so jung wie ich alt bin. Ich habe so viele Geburten gesehen, dass ich den Überblick verloren habe. Ich habe unzählige Menschen getauft, darunter einige sehr Bedeutende. Obwohl ich als Fluss nicht zwischen berühmt und unbekannt unterscheide.
Meine Ufer haben Evolutionen und Revolutionen gesehen. Ich könnte darüber Bücher schreiben, die nie enden würden. Von der Steinzeit über die Eiszeit, von der Bronzezeit bis hin zur Eisenzeit. Dörfer, die zu Städten wurden und zur Megalopolis wachsen. Kriege und Hochzeiten. Wälder, Ackerland, Kirchen, Tempel, Fabriken, Landstraßen und Autobahnen. Überschwemmungen und Dürren. Ich bin die Ader dieses Planeten und ein Zeuge der Geschichte.
Ich kann Flammen ertränken und Berge niederreißen. Ich beschütze stolz die Großen und Kleinen ohne Vorurteile. Dafür bin ich hier, zu nähren und zu versorgen. Ich bin Leben. Das ist es, was ich bin und immer sein werde. Ich bin ein Fluss.